Amtsgericht
Darmstadt, Beschluss vom 15.05.2014 - 50 F 366/13 GÜ
Die
Vereinbarung einer Brautgabe, die als „Gegenleistung“ für die Erfüllung der
ehelichen Pflichten der Frau im Falle einer Trennung zusteht, ist dem
Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG sowie mit dem Grundsatz der Freiheit der
Eheschließung nicht in Einklang zu bringen.
Auf diese Entscheidung des
Amtsgerichts Darmstadt (Az: 50 F 366/13 GÜ) weist die Arbeitsgemeinschaft
Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.
Der Sachverhalt
Bei der Heirat eines Paares
im Iran wurden als Brautgabe unter anderem 650 Azadi Goldmünzen und 100 Meshgal
Gold vereinbart (insgesamt über 180.000 Euro). Die Brautgabe sollte der Mann
seiner Frau im Falle einer Trennung für die Erfüllung der ehelichen Pflichten,
also den Vollzug der Ehe, und für die Versorgung der Frau zahlen. Als das
Ehepaar sich scheiden ließ, forderte die Frau von ihrem Mann die 650 Azadi
Goldmünzen und 100 Meshgal Gold.
Der Mann wollte nicht
zahlen. Er behauptet, er habe den Anspruch durch Übergabe von Schmuck und
Grundstücksteilen überobligatorisch erfüllt. Er ist ferner der Ansicht, es sei
nach iranischem Recht ein Ehebruch zu berücksichtigen, welcher seine
Leistungspflicht ausschließe. Schließlich handele es sich nicht um ein
ernstgemeintes Versprechen.
Die Entscheidung des
Amtsgerichts Darmstadt
Die
Forderung der Frau blieb auch vor Gericht ohne Erfolg. Der Vertrag sei nichtig.
Die Vereinbarung, für den Vollzug der Ehe eine hohe Geldsumme zu zahlen, sei
weder mit dem Grundgesetz noch mit dem Grundsatz der Freiheit von Eheschließung
und Ehe in Einklang zu bringen. Denn die in Aussicht gestellte Geldsumme schränke
diese Freiheit erheblich ein. Sie entspreche daher nicht den guten Sitten. Zwar
habe sie die wichtige Aufgabe, die Ehefrau abzusichern, doch gebe es hierfür
eine Vielzahl anderer rechtlicher Möglichkeiten.
Aus dem Urteil: [...] Durch
den in Aussicht gestellten Erhalt von Geldsummen oder auch die in Aussicht
gestellte Haftung für Geldsummen bei Vollzug oder nicht Vollzug der Ehe, wird
die Freiheit in der Ehe erheblich eingeschränkt. Diese Einschränkung entspricht
daher nicht den guten Sitten. Die Geldforderung kann daher nicht als wirksam
betrachtet werden. Bei dieser Entscheidung und vorzunehmenden Abwägung ist zu
berücksichtigen, dass eine Geldforderung bereits abstrakt geringer wertig ist
als die eheliche Freiheit und die Freiheit beim ehelichen Zusammenleben. Auch
in der konkreten Abwägung kann ihre wichtige Bedeutung, die Ehefrau
abzusichern, diese Freiheit aus Art. 6 GG nicht übersteigen. Das bestehende
Rechtssystem hält eine Vielzahl von Instrumenten bereit, welche den Ehepartner
verpflichten auch nach der Ehescheidung für den Partner zu sorgen. Es besteht mithin
auch kein praktisches Erfordernis den Wert der Brautgeldabrede höher anzusetzen
als erfolgt. [...]
Darüber hinaus widerspreche
die Vereinbarung auch dem Recht, frei und unabhängig von äußeren Einflüssen
darüber zu entscheiden, wann man sich trennen möchte. Die Aussicht, dass mit
der Scheidung ein hoher Geldbetrag zu zahlen sei, schränke diese Freiheit ein.
Aus dem Urteil [...] Die
Vereinbarung widerspricht schließlich der Freiheit der Ehescheidung. Das Recht,
frei und unabhängig von äußeren Einflüssen darüber zu entscheiden, wann man
sich trennen möchte um die Voraussetzungen für eine Scheidung zu schaffen,
bzw., wann man die staatliche Ehe beenden möchte, wird zwar nicht von Art. 6 GG
geschützt, es stellt jedoch auch ein Freiheitsrecht der objektiven Werteordnung
dar und findet einfachgesetzliche Ausprägung. Durch die Inaussichtstellung einer
folgenschweren Haftung bei Scheidung wird diese Freiheit erheblich
eingeschränkt. Unstreitig wird der zuvor entstandene Anspruch regelmäßig im
Falle der Scheidung geltend gemacht. Die Aussicht, dass mit der Scheidung ein
hoher Geldbetrag zu zahlen ist, schränkt die Freiheit des Verpflichteten ein.
[...]
Rechtsgrundlagen:
§ 138 Abs 1 BGB, § 1300 BGB a.F., Art 6 GG
§ 138 Abs 1 BGB, § 1300 BGB a.F., Art 6 GG
Gericht:
Amtsgericht Darmstadt, Beschluss vom 15.05.2014 - 50 F 366/13 GÜ
Rechtsindex - Recht & Urteile
Amtsgericht Darmstadt, Beschluss vom 15.05.2014 - 50 F 366/13 GÜ
Rechtsindex - Recht & Urteile
http://www.rechtsindex.de/familienrecht/4568-ag-darmstadt-50-f-366-13-brautgabe-widerspricht-grundgesetz
Mein Kommentar:
Das obige Urteil ist zurückzuweisen, da die
Begründung des Gerichts unzutreffend und unsinnig ist.
Die Brautgabe (mahr) ist keine Gegenleistung für die Erfüllung der ehelichen Pflichten,
sondern ein Geschenk an die Braut. Ursprünglich war die Brautgabe bei der
Eheschließung in einem Stück ganz zu zahlen, doch ist es – nach islamischem
Recht zulässig – in vielen Ländern Brauch geworden, sie in eine vorgestreckte
und eine aufgeschobene zu unterteilen. Letztere wird gewöhnlich bei Auflösung
der Ehe durch Scheidung (ṭalāq) oder den Tod des Ehemannes fällig und gilt bis dahin
als materielle Schuld des Ehemannes.
Die Höhe des Mahr unterliegt der jeweiligen Vereinbarung
zwischen dem Bräutigam und der Braut, bzw. deren gesetzlichen Vertretern. Im
Falle, daß die Ehe ohne eine solche Vereinbarung über die Höhe des Mahr
geschlossen worden ist, legt das Scharī´a-Gericht diese auf der Grundlage dessen fest, was im
jeweiligen Land, der Gesellschaftsschicht und den sonstigen Kreisen der Braut
allgemein üblich ist.
Es ist verwunderlich, daß der Mann im obigen Fall bei
seiner Eheschließung einem Mahr in der genannten Höhe zugestimmt hat. Er hätte
sich über die Folgen klar sein müssen. Nach islamischem Recht ist die Forderung
der Frau rechtmäßig.
Die Begründung des Gerichts, die Brautgabe allgemein –
gleich ob hoch oder niedrig – schränke die Freiheit ein und sei somit grundgesetzwidrig,
ist absurd und nicht nachvollziehbar. Die gerichtliche Scheidung nach deutschem
Recht stellt durch die damit verbundenen Begleitumstände und Kosten nicht
weniger eine Einschränkung der Freiheit dar. Zudem gilt im Islam die
Ehescheidung als etwas Unerwünschtes, das nach Möglichkeit vermieden werden
sollte. Wenn hierbei gewisse Hindernisse als Hemmschwelle zur Bestätigung der
Ernsthaftigkeit des Entschlusses zu überwinden sind, ist das vom göttlichen
Gesetzgeber so gewollt.
Vielmehr setzt sich das Gericht dem Verdacht
verdeckter Islamfeindlichkeit aus, die heute bis in die Mitte der Gesellschaft
vorgedrungen ist, wobei Richter keine Ausnahme bilden. Häufig scheinen die
Mitglieder des Gerichts sich gar nicht ihrer islamophoben Einstellung bewußt zu
sein und bemerken diese selbst nicht. Ihren diesbezüglichen Urteilen geben sie
dann abwegige und absurde Begründungen, von deren Richtigkeit sie selbst
vielleicht sogar überzeugt sind. So wurde vor einigen Jahren einer muslimischen
Lehrerin in NRW von einem Gericht das Tragen selbst einer neutralen Baskenmütze
während des Unterrichts verboten. Für uns Muslime sind solche Argumentationen
und Urteilsbegründungen nicht nachvollziehbar, sondern wir sehen darin eine
unbewußte oder vielleicht sogar bewußte Unterdrückung und Demütigung der
Muslime. Daraus folgt, daß zahlreiche Richter und Beisitzer wegen
Voreingenommenheit für ihr Amt eigentlich ungeeignet sind.