Samstag, 24. Januar 2015


Amtsgericht Darmstadt, Beschluss vom 15.05.2014 - 50 F 366/13 GÜ

 Brautgabe widerspricht Grundgesetz

Die Vereinbarung einer Brautgabe, die als „Gegenleistung“ für die Erfüllung der ehelichen Pflichten der Frau im Falle einer Trennung zusteht, ist dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG sowie mit dem Grundsatz der Freiheit der Eheschließung nicht in Einklang zu bringen.

Auf diese Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt (Az: 50 F 366/13 GÜ) weist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Der Sachverhalt

Bei der Heirat eines Paares im Iran wurden als Brautgabe unter anderem 650 Azadi Goldmünzen und 100 Meshgal Gold vereinbart (insgesamt über 180.000 Euro). Die Brautgabe sollte der Mann seiner Frau im Falle einer Trennung für die Erfüllung der ehelichen Pflichten, also den Vollzug der Ehe, und für die Versorgung der Frau zahlen. Als das Ehepaar sich scheiden ließ, forderte die Frau von ihrem Mann die 650 Azadi Goldmünzen und 100 Meshgal Gold.

Der Mann wollte nicht zahlen. Er behauptet, er habe den Anspruch durch Übergabe von Schmuck und Grundstücksteilen überobligatorisch erfüllt. Er ist ferner der Ansicht, es sei nach iranischem Recht ein Ehebruch zu berücksichtigen, welcher seine Leistungspflicht ausschließe. Schließlich handele es sich nicht um ein ernstgemeintes Versprechen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt

Die Forderung der Frau blieb auch vor Gericht ohne Erfolg. Der Vertrag sei nichtig. Die Vereinbarung, für den Vollzug der Ehe eine hohe Geldsumme zu zahlen, sei weder mit dem Grundgesetz noch mit dem Grundsatz der Freiheit von Eheschließung und Ehe in Einklang zu bringen. Denn die in Aussicht gestellte Geldsumme schränke diese Freiheit erheblich ein. Sie entspreche daher nicht den guten Sitten. Zwar habe sie die wichtige Aufgabe, die Ehefrau abzusichern, doch gebe es hierfür eine Vielzahl anderer rechtlicher Möglichkeiten.

Aus dem Urteil: [...] Durch den in Aussicht gestellten Erhalt von Geldsummen oder auch die in Aussicht gestellte Haftung für Geldsummen bei Vollzug oder nicht Vollzug der Ehe, wird die Freiheit in der Ehe erheblich eingeschränkt. Diese Einschränkung entspricht daher nicht den guten Sitten. Die Geldforderung kann daher nicht als wirksam betrachtet werden. Bei dieser Entscheidung und vorzunehmenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass eine Geldforderung bereits abstrakt geringer wertig ist als die eheliche Freiheit und die Freiheit beim ehelichen Zusammenleben. Auch in der konkreten Abwägung kann ihre wichtige Bedeutung, die Ehefrau abzusichern, diese Freiheit aus Art. 6 GG nicht übersteigen. Das bestehende Rechtssystem hält eine Vielzahl von Instrumenten bereit, welche den Ehepartner verpflichten auch nach der Ehescheidung für den Partner zu sorgen. Es besteht mithin auch kein praktisches Erfordernis den Wert der Brautgeldabrede höher anzusetzen als erfolgt. [...]

Darüber hinaus widerspreche die Vereinbarung auch dem Recht, frei und unabhängig von äußeren Einflüssen darüber zu entscheiden, wann man sich trennen möchte. Die Aussicht, dass mit der Scheidung ein hoher Geldbetrag zu zahlen sei, schränke diese Freiheit ein.

Aus dem Urteil [...] Die Vereinbarung widerspricht schließlich der Freiheit der Ehescheidung. Das Recht, frei und unabhängig von äußeren Einflüssen darüber zu entscheiden, wann man sich trennen möchte um die Voraussetzungen für eine Scheidung zu schaffen, bzw., wann man die staatliche Ehe beenden möchte, wird zwar nicht von Art. 6 GG geschützt, es stellt jedoch auch ein Freiheitsrecht der objektiven Werteordnung dar und findet einfachgesetzliche Ausprägung. Durch die Inaussichtstellung einer folgenschweren Haftung bei Scheidung wird diese Freiheit erheblich eingeschränkt. Unstreitig wird der zuvor entstandene Anspruch regelmäßig im Falle der Scheidung geltend gemacht. Die Aussicht, dass mit der Scheidung ein hoher Geldbetrag zu zahlen ist, schränkt die Freiheit des Verpflichteten ein. [...]

Rechtsgrundlagen:
§ 138 Abs 1 BGB, § 1300 BGB a.F., Art 6 GG

Gericht:
Amtsgericht Darmstadt, Beschluss vom 15.05.2014 - 50 F 366/13 GÜ

Rechtsindex - Recht & Urteile

 

http://www.rechtsindex.de/familienrecht/4568-ag-darmstadt-50-f-366-13-brautgabe-widerspricht-grundgesetz

 

Mein Kommentar:

Das obige Urteil ist zurückzuweisen, da die Begründung des Gerichts unzutreffend und unsinnig ist.

Die Brautgabe (mahr) ist keine Gegenleistung für die Erfüllung der ehelichen Pflichten, sondern ein Geschenk an die Braut. Ursprünglich war die Brautgabe bei der Eheschließung in einem Stück ganz zu zahlen, doch ist es – nach islamischem Recht zulässig – in vielen Ländern Brauch geworden, sie in eine vorgestreckte und eine aufgeschobene zu unterteilen. Letztere wird gewöhnlich bei Auflösung der Ehe durch Scheidung (alāq) oder den Tod des Ehemannes fällig und gilt bis dahin als materielle Schuld des Ehemannes.

Die Höhe des Mahr unterliegt der jeweiligen Vereinbarung zwischen dem Bräutigam und der Braut, bzw. deren gesetzlichen Vertretern. Im Falle, daß die Ehe ohne eine solche Vereinbarung über die Höhe des Mahr geschlossen worden ist, legt das Scharī´a-Gericht diese auf der Grundlage dessen fest, was im jeweiligen Land, der Gesellschaftsschicht und den sonstigen Kreisen der Braut allgemein üblich ist.

Es ist verwunderlich, daß der Mann im obigen Fall bei seiner Eheschließung einem Mahr in der genannten Höhe zugestimmt hat. Er hätte sich über die Folgen klar sein müssen. Nach islamischem Recht ist die Forderung der Frau rechtmäßig.

Die Begründung des Gerichts, die Brautgabe allgemein – gleich ob hoch oder niedrig – schränke die Freiheit ein und sei somit grundgesetzwidrig, ist absurd und nicht nachvollziehbar. Die gerichtliche Scheidung nach deutschem Recht stellt durch die damit verbundenen Begleitumstände und Kosten nicht weniger eine Einschränkung der Freiheit dar. Zudem gilt im Islam die Ehescheidung als etwas Unerwünschtes, das nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Wenn hierbei gewisse Hindernisse als Hemmschwelle zur Bestätigung der Ernsthaftigkeit des Entschlusses zu überwinden sind, ist das vom göttlichen Gesetzgeber so gewollt.

Vielmehr setzt sich das Gericht dem Verdacht verdeckter Islamfeindlichkeit aus, die heute bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist, wobei Richter keine Ausnahme bilden. Häufig scheinen die Mitglieder des Gerichts sich gar nicht ihrer islamophoben Einstellung bewußt zu sein und bemerken diese selbst nicht. Ihren diesbezüglichen Urteilen geben sie dann abwegige und absurde Begründungen, von deren Richtigkeit sie selbst vielleicht sogar überzeugt sind. So wurde vor einigen Jahren einer muslimischen Lehrerin in NRW von einem Gericht das Tragen selbst einer neutralen Baskenmütze während des Unterrichts verboten. Für uns Muslime sind solche Argumentationen und Urteilsbegründungen nicht nachvollziehbar, sondern wir sehen darin eine unbewußte oder vielleicht sogar bewußte Unterdrückung und Demütigung der Muslime. Daraus folgt, daß zahlreiche Richter und Beisitzer wegen Voreingenommenheit für ihr Amt eigentlich ungeeignet sind.